Hunde retten aus dem Ausland – gut gemeint oder verantwortungslos? | Episode 14

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Lesezeit 9 min

Das Thema Auslandstierschutz bewegt – und emotional berührt es viele Menschen, die einem hilfsbedürftigen Hund aus Südeuropa, Rumänien oder der Türkei ein neues Zuhause schenken möchten. Die Vorstellung, einem Tier in Not zu helfen, erfüllt uns mit Mitgefühl und dem Wunsch, aktiv etwas zu verändern. Doch jenseits dieses emotionalen Antriebs lohnt sich ein kritischer Blick: Welche gesundheitlichen Risiken bringt ein Hund aus dem Ausland mit sich? Wie steht es um seine psychologische Stabilität, wenn er nie eine angemessene Frühprägung erleben durfte? Und vor allem: Hilft es tatsächlich langfristig, Einzelschicksale zu retten – oder verstärken unkoordinierte Importe die strukturellen Probleme vor Ort?

In diesem Artikel tauchen wir tief in die komplexen Zusammenhänge des Auslandstierschutzes ein. Wir betrachten veterinärmedizinische Aspekte wie Leishmaniose, Herzwurm und Parasitosen , beleuchten verhaltensbiologische Herausforderungen , die sich aus fehlender Sozialisierung ergeben, und stellen die Frage, welche ethischen und nachhaltigen Lösungsansätze wirklich Wirkung zeigen. Ziel ist es nicht, zu verurteilen – sondern aufzuklären. So kannst du informiert und verantwortungsvoll entscheiden, ob ein Auslandstierschutzhund in dein Leben passt – und wie Hilfe für Hunde tatsächlich aussehen kann.

Hunde retten aus dem Ausland – Psychologie der Entscheidung: Emotionen, Verantwortung und warum helfen oft mehr mit uns zu tun hat

Hunde retten aus dem Ausland – allein diese Worte wecken bei vielen Menschen starke Gefühle. Mitgefühl , Verantwortungsbewusstsein und oft auch das Gefühl, „etwas Gutes“ tun zu wollen, spielen eine zentrale Rolle, wenn jemand sich für einen Hund aus Rumänien, Spanien oder Italien entscheidet. Doch was steckt wirklich dahinter? Warum fühlen wir uns so stark berührt, wenn wir die Bilder verhungerter, verfilzter oder einsamer Hunde auf Social Media sehen?

Viele Menschen, die einen Hund aus dem Ausland adoptieren, sind überzeugt, etwas Held*innenhaftes zu tun. Dabei spielt oft nicht nur der Wunsch, ein Tier zu retten, eine Rolle, sondern auch unbewusste Motive: sich als besonders mitfühlend, moralisch überlegen oder sozial engagiert wahrzunehmen. Nicht selten hört man Sätze wie: „Ich wollte keinen Hund vom Züchter, ich wollte einem Tier in Not helfen.“ Doch helfen wir dem Tier – oder helfen wir manchmal mehr unserem eigenen Selbstbild?

Die Antwort liegt tief in der Psychologie verankert. Helfen gibt uns Sinn. Es ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis, Leiden zu lindern, nicht nur für den, dem geholfen wird, sondern auch für uns selbst. Studien zeigen, dass altruistisches Verhalten das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert – wir fühlen uns buchstäblich gut, wenn wir helfen. Das ist an sich nichts Schlechtes. Doch wenn Emotionen überwiegen, geraten realistische Einschätzungen oft ins Hintertreffen.

Das bedeutet nicht, dass Auslandstierschutz per se schlecht oder egoistisch ist. Aber es bedeutet, dass wir uns unserer Beweggründe und deren Wirkung bewusst sein müssen – und zwar auf mehreren Ebenen. Denn nur, wenn wir ehrlich mit uns selbst sind, können wir ehrlich Verantwortung übernehmen. Verantwortung endet nicht an der Landesgrenze oder mit der Unterschrift unter einem Adoptionsvertrag. Sie beginnt genau dort – und umfasst viel mehr als nur „retten“.

Der Satz „Adopt, don’t shop“ ist längst zu einem moralischen Schlachtruf geworden. Er transportiert die Botschaft: Wer einen Hund beim Züchter holt, ist herzlos, egoistisch, konsumorientiert. Wer adoptiert, ist moralisch überlegen. Doch genau hier beginnt ein Problem: Moralische Überlegenheit ersetzt keine differenzierte Betrachtung. Nicht jeder Mensch, der sich bewusst für einen Hund vom Züchter entscheidet, ist ein Tierfeind. Und nicht jede Adoption aus dem Ausland ist ein Akt der Weltverbesserung.

Der Gedanke „ich rette ein Tier aus dem Ausland und ändere damit die Welt“ klingt zwar edel, ist aber oft naiv. In Wahrheit wird meist kein System verändert, sondern nur ein Einzelschicksal verschoben. Der Hund, der nach Deutschland, Österreich oder in die Schweiz vermittelt wird, verändert nichts an den Zuständen vor Ort. Im Gegenteil: Nicht selten entsteht bei lokalen Tierheimen, Sheltern oder sogar bei Hinterhofvermehrern der Eindruck: „Ach, wir müssen gar nichts ändern – die reichen Mitteleuropäer nehmen uns die Hunde ja ab.“

So entsteht ein Kreislauf, der langfristig nichts löst.
Denn jedes Tier, das ins Ausland vermittelt wird, bedeutet auch: weniger Anreiz, vor Ort Kastrationsprogramme aufzubauen, weniger Druck, lokale Gesetze zum Tierschutz zu verschärfen, weniger Bewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen. Es ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein – und manchmal heizt dieser Tropfen das System sogar noch weiter an.

Das bedeutet nicht, dass jeder Auslandstierschutz sinnlos oder verkehrt ist. Aber es bedeutet, dass wir uns fragen müssen: „Hilft das hier wirklich – oder bediene ich vor allem mein eigenes Helferbedürfnis?“ Hilfe, die langfristig wirkt, setzt an den Wurzeln an. Das heißt: Unterstützung für Kastrationskampagnen, Bildung in Schulen, Druck auf Politik, Aufbau lokaler Strukturen.

Es ist auch problematisch, anderen Hundemenschen mit einem moralischen Zeigefinger zu begegnen. Nicht jeder, der sich für einen Hund vom Züchter entscheidet, ist „schlechter“, und nicht jeder Auslandshund-Adoptant ist ein Held. Tierschutz darf keine Ego-Bühne sein. Es darf kein Wettbewerb werden, wer „besser“ rettet oder „richtiger“ liebt.

Wer wirklich helfen will, muss bereit sein, sich mit unangenehmen Wahrheiten auseinanderzusetzen:

  • Nicht jeder Hund aus dem Ausland ist vermittelbar.

  • Nicht jede Rettung ist eine Rettung.

  • Nicht jede Adoption löst ein Problem – manchmal schafft sie sogar neue.

Hunde zu retten aus dem Ausland bedeutet: Geduld, Ressourcen, Fachwissen und die Bereitschaft, nicht sich selbst, sondern den Hund und das System zu hinterfragen. Nur dann kann aus einer gut gemeinten Tat auch eine wirklich gute Tat werden – für das Tier, für die Menschen vor Ort und für die Gesellschaft insgesamt.

Herausforderungen und Risiken: Was Auslandshunde mitbringen – von Traumata bis Krankheiten

Jeder Hund ist individuell – und so auch seine Erfahrungen. Ein Hund aus dem Ausland bringt oft ein schweres Päckchen mit – und das nicht nur sprichwörtlich . Wer sich entscheidet, einen Tierschutzhund aufzunehmen, übernimmt nicht nur die Verantwortung für ein Lebewesen, sondern auch für dessen Vergangenheit. Genau hier liegt die große Herausforderung, die viele unterschätzen.

Einige Auslandshunde haben traumatische Erfahrungen gemacht : Sie wurden als Streuner geboren, von Menschen verjagt, gejagt, verletzt oder landeten in überfüllten Sheltern, wo Stress, Angst und manchmal auch Gewalt zum Alltag gehören. Anders als gut sozialisierte Welpen, die in einem liebevollen Umfeld groß werden, fehlt ihnen oft die wichtige Prägungsphase: Sie kennen keine Haushaltsgeräusche, keinen Straßenverkehr, keine engen Wohnungen oder fremden Menschen, die plötzlich „lieb sein“ wollen.

Das bedeutet: Die romantische Vorstellung vom dankbaren Straßenhund, der endlich sein Happy End findet, ist oft weit entfernt von der Realität. Stattdessen ziehen viele Adoptanten einen Hund mit massiven Ängsten, Unsicherheiten oder sogar Aggression ins Zuhause. Das braucht nicht nur Geduld, Wissen und Nervenstärke, sondern manchmal auch professionelle Hilfe.

Hinzu kommen gesundheitliche Risiken , die ebenfalls häufig verharmlost werden. Hunde aus dem Mittelmeerraum bringen Krankheiten wie Leishmaniose, Ehrlichiose oder Babesiose mit, die lebenslang behandelt werden müssen und hohe Tierarztkosten verursachen können. Diese Krankheiten werden durch Parasiten wie Sandmücken oder Zecken übertragen und bleiben oft lange unentdeckt – bis erste Symptome auftreten, die dann schnell gravierend werden.

Wer sich also für einen Hund aus dem Ausland entscheidet, holt kein leeres Blatt ins Haus. Man holt eine Vergangenheit mit, einen Rucksack an Erlebtem – und manchmal an Erkrankungen, die man nicht einfach abstreifen kann. Das heißt nicht, dass Auslandshunde nicht wundervoll sein können. Aber es heißt, dass sie Verantwortung brauchen, Wissen, realistische Erwartungen – und kein Helfer-Ego, das blind rettet, ohne die Konsequenzen zu kennen.

Das Systemproblem: Warum Einzeladoptionen das große Leid nicht stoppen

Viele Menschen, die einen Hund aus dem Ausland adoptieren, haben das Gefühl, sie „retten ein Leben“ – und ja, das stimmt auf individueller Ebene. Doch was bedeutet diese Rettung wirklich? Und was verändert sie am großen Ganzen? Ehrlich gesagt: fast nichts.

Das Auslandstierschutz-System hat sich längst darauf eingestellt, dass Deutschland, Österreich und die Schweiz als Abnehmermärkte funktionieren. In vielen süd- und osteuropäischen Ländern (z. B. Rumänien, Spanien, Italien, Bulgarien) wissen Tierschutzorganisationen und leider auch zwielichtige Akteure: „Keine Sorge, die Hunde nehmen uns die Deutschen schon ab.“ Damit verschiebt sich das Problem: Es wird nicht vor Ort gelöst, sondern exportiert.

Das eigentliche Problem bleibt bestehen:

  • Es fehlt an Aufklärung vor Ort.

  • Es fehlt an politischem Druck, die Gesetze zu ändern.

  • Es fehlt an flächendeckenden Kastrationskampagnen, die nachhaltig wirken.

  • Es fehlt an besseren Haltungsbedingungen, damit Hunde gar nicht erst ausgesetzt oder misshandelt werden.


Wer nur adoptiert, ohne das System vor Ort zu unterstützen, bekämpft die Symptome – nicht die Ursache. Noch schärfer formuliert: Man macht Platz im Shelter für den nächsten Hund, der ausgesetzt wird. 

Besonders problematisch wird es, wenn diese Einzelschicksale moralisch aufgeladen werden, etwa durch das beliebte Schlagwort „Adopt, don’t shop“ (Adoptiere, kauf nicht) . Diese Botschaft mag gut gemeint sein, ist aber oft undifferenziert: Nicht jeder, der einen Hund vom Züchter holt, ist ein Tierquäler. Nicht jeder, der adoptiert, ist ein Heiliger. Und nicht jeder Hund aus dem Ausland ist überhaupt für ein Leben in einer Wohnung, in der Stadt, in Mitteleuropa geeignet.

Man könnte sogar argumentieren, dass seriöse, gute Züchter aktiven Tierschutz leisten.
Warum?
Weil sie nicht nur „Hunde produzieren“, sondern:

  • sich um die passende Vermittlung bemühen,

  • die Halter begleiten und beraten,

  • bei Problemen Ansprechpartner bleiben,

  • Hunde oft auch zurücknehmen, wenn eine Haltung scheitert,

  • gezielt auf Gesundheit, Charakterfestigkeit und rassetypische Eignung achten.

Während der Auslandstierschutz oft nur das „Retten“ fokussiert, kümmern sich seriöse Züchter um die ganze Lebensspanne eines Hundes . Auch das schützt vor Tierleid – vor allem in Ländern, in denen Tierschutzstandards hoch sind, wie in Deutschland, Österreich oder der Schweiz.

Das heißt nicht, dass Zucht immer gut ist oder alles rechtfertigt – aber es bedeutet, dass pauschale Moralslogans („Adopt, don’t shop!“) zu kurz greifen. Wer wirklich differenziert hinschaut, erkennt: Es gibt viele Wege, Verantwortung zu übernehmen – Adoption ist nur einer davon.

"Wer das System ändern will, muss mehr tun als nur ein Einzelschicksal retten."

Tipps für verantwortungsbewusste Hilfe: Worauf du achten solltest, wenn du wirklich helfen willst

Wenn du wirklich helfen willst, bedeutet das mehr als einen Hund aus Mitleid zu adoptieren. Es bedeutet, die Verantwortung hinter der Hilfe zu verstehen.

Frage dich ehrlich:
Bin ich dieser Aufgabe gewachsen? Habe ich Zeit, Geduld, finanzielle Mittel und die Bereitschaft, mich auch mit schwierigen Verhaltensweisen auseinanderzusetzen? Kann ich langfristig Verantwortung tragen – auch wenn es nicht so läuft, wie ich es mir ausmale?

Wähle die Organisation mit Bedacht.
Nicht jede Tierschutzorganisation arbeitet seriös. Achte darauf, dass:

  • Hunde vorab medizinisch untersucht und ggf. kastriert werden.

  • Hunde vor Ort beobachtet und auf ihr Verhalten eingeschätzt werden.

  • eine Quarantänezeit eingehalten wird.

  • Transparenz herrscht über Herkunft, Verhalten und Besonderheiten.

Überlege, ob Hilfe vor Ort nicht nachhaltiger ist.
Viele Tierschutzprojekte im Ausland brauchen Spenden, Patenschaften oder Unterstützung für Kastrationskampagnen. So hilfst du Hunderten , nicht nur einem Einzelnen. Es stärkt die Strukturen, die das Leid langfristig mindern – statt nur Symptome zu lindern.

Erwäge auch Alternativen.
Nicht jeder gute Hund muss aus dem Ausland kommen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz warten viele Hunde im Tierheim – oft ebenso dringend.
Und ja: Verantwortungsvolle Züchter sind auch aktiver Tierschutz. Sie beraten, begleiten, nehmen Hunde zurück und helfen, dass keine Hunde in die falschen Hände oder ins Tierheim geraten. Es ist nicht „böse“, einen Hund vom guten Züchter zu holen – es ist nur ein anderer Weg, Verantwortung zu übernehmen.

Kritisch gesagt:
Helfen darf nie zum Selbstzweck werden. Wenn du nur hilfst, um dich besser zu fühlen, und nicht, um das Tier in den Mittelpunkt zu stellen, schadest du am Ende mehr, als du nutzt.

Lui & Paulina mit Seelenhund Vito & amalia

Über Vitomalia und die Autoren Lui & Paulina

Der Name Vitomalia entstand aus den Namen ihrer beiden geliebten Hunde: Vito und Amalia . Vito, ein sensibler und lebensfroher Hund, begleitete Lui und Paulina durch viele prägende Jahre. Nach langer, schwerer Krankheit mussten sie Vito am 14. Februar 2025 schweren Herzens gehen lassen.

Aus diesem Verlust entstand der Wunsch, das Erlebte nicht nur für sich zu verarbeiten, sondern auch anderen Hundehaltern Mut, Wissen und Trost zu schenken – so wurde der Podcast geboren, als eine Art Trauerbewältigung und zugleich als Plattform, um über Hundehaltung zu sprechen, wie sie wirklich ist: voller Liebe, Herausforderungen und Wachstum.

Lui stammt ursprünglich aus dem Sportbereich, Paulina aus der Psychologie. Ihre gemeinsame Leidenschaft für Hunde führte sie zusammen. Aus einem Hobby wurde eine Berufung: Lui absolvierte die Ausbildung zum Verhaltenstherapeuten für Hunde, Paulina spezialisierte sich auf Hundewissenschaft. Zusammen arbeiteten sie viele Jahre als Hundetrainer, bis sie erkannten, wie groß der Bedarf an sinnvollem und sicherem Hundeequipment ist.

Aus dieser Idee entstand der Vitomalia Online Shop, der heute ihr Hauptaugenmerk ist. Doch ihre Leidenschaft für die enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und Hund bleibt ungebrochen. In ihrem Podcast teilen Lui und Paulina ihre Erfahrungen, ihr kynologisches Wissen und möchten einen ehrlichen, realistischen Blick auf Hundehaltung vermitteln – ohne Filter, ohne Klischees, dafür mit Herz und Verstand.

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